Bilanz 2022: Genossenschaftsbanken in Weser-Ems sind zukunftsfest aufgestellt
28.03.2023
Volksbanken und Raiffeisenbanken konnten Marktposition stärken / Zuwächse bei Krediten und Einlagen / Operative Ertragskraft bewegt sich mit mehr als 343 Millionen Euro auf hohem Niveau / Starke Eigenkapitaldecke ermöglicht weiteres Wachstum / Für das laufende Jahr wird eine stabile Entwicklung erwartet
Oldenburg/Weser-Ems – Die 50 Volksbanken und Raiffeisenbanken in Weser-Ems konnten ihre Marktstellung im vergangenen Jahr weiter stärken. „Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen verzeichneten unsere Genossenschaftsbanken in allen Bereichen Zuwächse und waren ein verlässlicher Finanzpartner für die Menschen und die Unternehmen in der Region“, sagte Verbandsdirektor Johannes Freundlieb. Zusammen mit seinem Vorstandskollegen Axel Schwengels stellte er heute die Bilanz 2022 der dem Genossenschaftsverband Weser-Ems (GVWE) angehörenden Genossenschaftsbanken in Rastede vor. Die addierte Bilanzsumme der genossenschaftlichen Kreditinstitute stieg danach auf rund 38,3 Milliarden Euro – ein Plus von 6,7 Prozent im Vergleich zu 2021. Die Ertragskraft sei mit einem operativen Betriebsergebnis vor Bewertung von 343,3 Millionen Euro hoch.
Für das laufende Jahr gehen die Verbandsdirektoren von einer stabilen Entwicklung aus. Jedoch gebe es einige „Unsicherheitsfaktoren“ im Bereich der geopolitischen und konjunkturellen Entwicklung. Die Mitgliedsbanken seien mit einer stabilen Gesamtkapitalquote von 15,71 Prozent sowie ihrer regionalen Verankerung zukunftsfest aufgestellt. „Die rund 1,2 Millionen Kunden und die mehr als 6.100 Mitarbeitenden können auf einen nachhaltig leistungsstarken Finanzpartner und verlässlichen Arbeitgeber an ihrer Seite vertrauen“, betonte Freundlieb. Gleichzeitig mahnte er eine stärkere Förderung des privaten Wohnungsbaus sowie eine „Bürokratie-Diät“ an, damit Bürger und mittelständische Wirtschaft verlässlich und zeitnah in die Digitalisierung und die Energiewende investieren könnten.
Gesundes Wachstum durch hohe Ertragskraft
Die Volksbanken und Raiffeisenbanken in Weser-Ems seien 2022 auf einer gesunden Grundlage gewachsen. Das zusammengefasste Betriebsergebnis (vor Bewertung) betrug rund 343 Millionen Euro und lag mit 0,92 Prozent der durchschnittlichen Bilanzsumme (dBS) leicht über dem Vorjahr (0,89 Prozent dBS). Der Zinsüberschuss habe dazu mit einer stabilen Rate von 1,68 Prozent der dBS den traditionell größten Teil beigetragen. Das Provisionsergebnis habe sich mit 0,64 Prozent der dBS ebenfalls stabil entwickelt (Vorjahr 0,68 Prozent dBS). „Damit liegen die Volksbanken und Raiffeisenbanken in Weser-Ems im bundesweiten Vergleich erneut im vorderen Bereich“, betonte Freundlieb. Gleichzeitig zeugten die leicht gesunkenen Verwaltungsaufwendungen von 1,46 Prozent der dBS (Vorjahr 1,50 Prozent dBS) von einer effizienten Arbeitsweise.
Wertpapierabschreibungen: Vorrübergehender Effekt
Allerdings trüben hohe Wertpapierabschreibung das Betriebsergebnis, das nach Bewertung einen Abzug von 0,42 Prozentpunkte auf 0,50 Prozent der dBS erfahre. „Dies sind jedoch buchhalterische Werte, die sich kurz- und mittelfristig wieder aufheben werden und die Schlagkraft nicht beeinträchtigen“, so Johannes Freundlieb. Hintergrund des hohen Bewertungsergebnisses ist der durch die Europäische Zentralbank getriebene schnelle Zinsanstieg 2022. Dadurch sind die Kurse vieler Anleihen gesunken. Dies mussten alle Banken und Sparkassen in Deutschland in ihren Bilanzen mit entsprechenden Abschreibungen berücksichtigen. Da die Volksbanken und Raiffeisenbanken die Wertpapiere in der Regel bis zum Laufzeitende im eigenen Depot hielten, bekämen diese dann den vollen Betrag plus Zinsen ausgezahlt und es entstünden keine realen Verluste, erläuterte der Verbandsdirektor. Die Ausfallquote bei der Kreditvergabe sei zudem sehr gering gewesen: „Unsere Genossenschaftsbanken arbeiten somit sehr ertragsstark und sind für die kommenden Herausforderungen gut aufgestellt“, betonte Freundlieb.
Kredite: Wachstumsträger Wohnungswirtschaft, Baugewerbe und Kfz
Bei den eigenen Krediten legten die 50 genossenschaftlichen Institute nach Verbandsangaben um insgesamt 7,2 Prozent auf knapp 28,3 Milliarden Euro zu. Davon entfalle der Großteil mit rund 24,4 Milliarden Euro auf langfristige Ausleihungen, die für gewerbliche Investitionen oder den Bereich Eigenheim- und Wohnungsbau verwendet würden. Mit weiteren im genossenschaftlichen Verbund vermittelten Krediten sei das in der Region betreute Kreditvolumen in Weser-Ems auf insgesamt 36,93 Milliarden Euro (plus 7,4 Prozent) gestiegen. Wachstumstreiber mit zweistelligen Prozentraten waren laut GVWE die Wohnungswirtschaft mit einem Plus von 403 Millionen Euro auf etwa 2,89 Milliarden Euro (plus 16,2 Prozent) sowie das Baugewerbe mit einem Zuwachs von rund 233 Millionen Euro auf rund 1,87 Milliarden Euro (plus 14,2 Prozent). Zudem sei eine lebhafte Nachfrage nach Krediten im Segment Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kfz und Gebrauchsgütern zu beobachten gewesen. Dort habe sich das Kreditvolumen um 161 Millionen Euro auf insgesamt 1,33 Milliarden Euro (plus 13,8 %) erhöht.
Land- und Forstwirtschaft verunsichert
Die Land- und Forstwirtschaft habe sich bei frischen Krediten dagegen zurückgehalten. So blieb die Kreditsumme in diesem Segment mit rund 4,24 Milliarden Euro nahezu unverändert. Gründe für die zurückhaltende Investitionsbereitschaft sind nach Einschätzung von Verbandsdirektor Freundlieb der anhaltende Strukturwandel sowie eine politisch verursachte Unsicherheit auf den Höfen. „Die Diskussion um das Tierwohllabel und weitere aktuell in die Diskussion gebrachten verschärften Auflagen machen es mangels Planungssicherheit teilweise unmöglich, unternehmerische Investitionsentscheidungen zu treffen“, sagte Freundlieb. Politik müsse endlich klare Vorgaben machen und sich zu einer regional hochwertigen Landwirtschaft bekennen.
Einlagen: Weser-Ems mit hoher Liquidität
Bei den Einlagen legten die Kunden 2022 bei den genossenschaftlichen Banken in Weser-Ems rund 25,5 Milliarden Euro an. Das waren 7,9 Prozent mehr als 2021. Ein kräftiges Plus von 10,7 Prozent verzeichneten die Sichteinlagen als größter Einzelposten. Die Summe auf den Giro- und Tagesgeldkonten belief sich damit auf rund 17,5 Mrd. Euro. Aber auch befristete Einlagen wie Fest- und Kündigungsgelder seien mit 26,8 Prozent kräftig auf 1,56 Milliarden Euro gestiegen. Mit minus 2,6 Prozent hätten sich die Spareinlagen auf 6,42 Milliarden Euro dagegen leicht rückläufig entwickelt.
Weitere Einlagen wie Bausparverträge, Lebensversicherungen und vor allem Wertpapiere und Fondsanlagen, die Kunden zusätzlich bei Unternehmen der Genossenschaftlichen FinanzGruppe investierten, hielten sich nach einem starken Anstieg in 2021 (plus 18,4 %) auch 2022 auf hohem Niveau: Mit etwas mehr als 11 Milliarden Euro lagen diese nur minimal unter dem Vorjahreswert von 11,25 Milliarden Euro. Diese Entwicklung ist im Wesentlichen auf die gesunkenen Kurswerte bei den Kundenwertpapieren zum Jahresende zurückzuführen. Das betreute Kundenanlagevolumen betrug somit 36,52 Milliarden Euro (plus 4,6 Prozent). „Dies zeigt, dass die Menschen zunehmend erkennen, dass die private Altersvorsorge immer wichtiger wird, um die absehbaren Rentenlücken auszugleichen“, sagte Freundlieb. Gleichzeitig werde die strukturierte Wertpapieranlage immer stärker als Vorsorgeinstrument genutzt und durch eine ganzheitliche Beratung in den Genossenschaftsbanken unterstützt.
Genossenschaften gefragt: Mitgliederzahl steigt
Die Zahl der genossenschaftlichen Mitglieder bei den Volksbanken und Raiffeisenbanken ist nach Angaben des GVWE um knapp 5.000 auf rund 551.000 weiter gestiegen. „Damit werden immer mehr Kunden gleichzeitig Eigentümer der Genossenschaftsbanken und können deren Kurs mitgestalten. Das zeigt die große regionale Verankerung und das Vertrauen in die Volks- und Raiffeisenbanken vor Ort“, sagte Johannes Freundlieb. Die persönliche Nähe bleibe mit 439 Bankstellen (Vorjahr 451) in der Region erhalten, die die Bevölkerung mit allen notwendigen Finanzdienstleistungen versorgen. Neben dem stationären Betrieb werde zudem weiter kontinuierlich in die Digitalisierung investiert. Dies erfolge mit dem Ziel, die genossenschaftlichen Werte und Dienstleistungen auf allen Kanälen anbieten zu können und die Zugangswege für die Kunden flexibel nach deren Wünschen zu gestalten: „Dies stärkt den Charakter und die Funktion der genossenschaftlichen Regionalbanken“, betonte Freundlieb.
Ehrenamtliches Engagement gefördert: 2,5 Millionen Euro an Vereine
Mit rund 2,5 Millionen Euro hätten die Genossenschaftsbanken das ehrenamtliche Engagement in Weser-Ems auf gewohnt hohem Niveau gefördert. Sport, Kultur, soziale Einrichtungen sowie wissenschaftlichen Institutionen und Projekte seien in Verbindung mit dem VR-Gewinnsparen sowie der VR-Stiftung der Volksbanken und Raiffeisenbanken in Norddeutschland in einer großen Breite und Vielfalt unterstützt worden. „Dies verstehen wir auch weiterhin als eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe, die wir gerade in schwierigen Zeiten umfassend wahrnehmen“, betonte Johannes Freundlieb.
Ausblick: Stabile Entwicklung
Für das laufende Jahr erwartet der GVWE eine stabile Entwicklung. Jedoch gebe es einige schwer abschätzbare Entwicklungen. So werde die aufgrund der gestiegenen Kreditzinsen sowie der starken Preissteigerungen rückläufige private Bautätigkeit Spuren hinterlassen. „In diesem Bereich erwarten wir vom Gesetzgeber ein entsprechendes Handeln, damit sich auch zukünftig vor allem Familien weiterhin ein Eigenheim leisten können“, betonte Schwengels und nannte neben direkten Fördermodellen auch steuerliche Anreize oder erhöhte Abschreibungsmöglichkeiten für Bauherren als mögliche Instrumente. Zudem geht er davon aus, dass die Sanierung von Bestandsobjekten stärken in den Fokus rücken werde.
Außerdem werde sicherlich für die energetische Gebäudesanierung im privaten und gewerblichen Bereich der Kreditbedarf steigen. Die Investitionsbereitschaft der Wirtschaft hänge aber stark an den konjunkturellen Aussichten, die momentan zurückhaltend-optimistisch seien. „Wie sich der Gesamteffekt im Bereich der Kreditvergabe darstellen wird, ist momentan schwer abschätzbar“, so Freundlieb. Mittelfristig sorge die „Rückkehr des Zinses“ allerdings insgesamt für positive Effekte bei den Genossenschaftsbanken.
Rente: Steigender Vorsorgebedarf erwartet
Angesichts der anhaltend hohen Inflation steige der Vorsorgebedarf. Dies wirke sich tendenziell positiv auf das Vermittlungs- und Einlagengeschäft der genossenschaftlichen Mitgliedsbanken aus. Allerdings hätten die Verbraucher und Verbraucherinnen aufgrund der hohen Teuerungsrate auch real weniger „Geld in der Tasche“, um vorzusorgen.
Investitionen Mittelstand begleiten
Die mittelständische Wirtschaft habe einen anhaltend hohen Investitionsbedarf. „Unsere Volksbanken und Raiffeisenbanken werden die Unternehmen auf ihren Weg in die Zukunft weiterhin eng begleiten, damit diese in die Zukunft investieren, Arbeitsplätze erhalten und schaffen und die Wertschöpfung in der Region steigern können“, sagte Schwengels. Er betonte, dass der Mittelstand verlässliche Rahmenbedingungen und „deutlich weniger bürokratische Auflagen“ benötige. Der Staat brauche dringend eine Bürokratie-Diät, damit die Wirtschaft die großen Herausforderungen wie die Digitalisierung und die Energiewende zeitnah bewältigen könne.
Warnung vor Provisionsverbot
Zudem warnte der GVWE vor einem in der Europäischen Union diskutierten Provisionsverbot für Finanzprodukte. Dies könne dazu führen, dass ein Teil der Sparer und Sparerinnen auf beratungslose Angebote im Internet oder auf unregulierten grauen Kapitalmärkten ausweichen würden. Bei den Volksbanken und Raiffeisenbanken erhielten die Kunden und Kundinnen in allen Einkommensklassen dagegen eine transparente und ganzheitliche Anlageberatung.
Digitaler Euro: Leitplanken richtig setzen
Die von der EZB geplante Einführung des digitalen Euro begrüßt die Genossenschaftliche Finanzgruppe. Damit die Chancen eines digitalen Euro jedoch voll zum Tragen kommen und verbundene Risiken begrenzt werden, müssen bereits jetzt fachlich und politisch die richtigen Leitplanken gesetzt werden. Der genossenschaftliche Verbund favorisiere dabei unter anderem eine Begrenzung der elektronischen Währung auf 500 Euro pro Person, um die Stabilität des Bankensystems und eine volkswirtschaftlich positive Entwicklung nicht zu gefährden.
Geldausgabeautomaten: Kräfte bündeln für mehr Sicherheit
Mit Sorge betrachtet der Genossenschaftsverband zudem die zunehmende Zahl von Sprengungen von Geldausgabeautomaten. Verbandsdirektor Schwengels betonte, dass die Genossenschaftsbanken in Weser-Ems in den vergangenen Monaten erhebliche zusätzliche Investitionen in die Sicherheit geleistet hätten, um Menschen, Gebäude und öffentliche Infrastruktur zu schützen. Jedoch sei mehr denn je ein gemeinsames Vorgehen zwischen privaten und öffentlichen Kräften notwendig, um gegen diese organisierte Kriminalität vorzugehen. Ein entsprechendes Gespräch im Februar zwischen den Verbandsvertretern der Genossenschaftsbanken und Sparkassen mit der Niedersächsischen Innenministerin Daniela Behrens sei diesbezüglich konstruktiv gewesen. „Auf dieser gemeinsamen Basis werden weitere abgestimmte Maßnahmen in den kommenden Wochen erfolgen“, so Schwengels.
Bilanz | 2022 | verän. | ||
Bilanzsumme | 38,32 Mrd. | + 6,7% | ||
durchschnittliche Bilanzsumme | 766,40 Mio. | + 10,9% | ||
eigene Kundenkredite | 28,28 Mrd. | + 7,2% | ||
vermittelte Kundenkredite | 8,65 Mrd. | + 7,9% | ||
eigene Einalgen | 25,51 Mrd. | + 7,9% | ||
vermittelte Einlagen | 11,01 Mrd. | - 2,1% | ||
Zinsüberschuss | 1,68% dBS | 0 | ||
Provisionsüberschuss | 0,64% dBS | - 0,04% dBS | ||
Verwaltungsaufwand | 1,46% dBS | - 0,04% dBS | ||
Betriebsergebnis vor Bewertung | 0,92% dBS | + 0,03% dBS | ||
Betriebsergebnis nach Bewertung | 0,50% dBS | - 0,39% dBS | ||
Zahl Banken | 50 | - 2 | ||
Zahl Bankstellen | 439 | - 12 | ||
Zahl Beschäftigte | 6.100 | 0 | ||
Kernkapitalquote | 14,58% | + 0,17% | ||
Gesamtkapitalquote | 15,71% | - 0,15% | ||
Angaben in Euro dBS = durchschnittliche Bilanzsumme |