Regulierung darf nicht weiter Fusionsbeschleuniger sein
19.04.2024
Parlamentarischer Abend der Volksbanken und Raiffeisenbanken aus Weser-Ems in Hannover: Zunehmende Auflagen sind für kleine und mittlere Banken kaum zu bewältigen. Genossenschaftsbanken wünschen sich mehr Augenmaß von Politik und Bankenaufsicht. EU-Pläne gefährden das genossenschaftliche Institutssicherungssystem und damit die Finanzstabilität in Deutschland. Minis-terin Miriam Staudte und Minister Olaf Lies betonten, dass die Struktur des deutschen Bankensystems erhalten und Genossenschaftsbanken gestärkt werden müssen.
Hannover – Mehr Augenmaß bei der Regulierung und mehr Wertschätzung für die besondere Rolle regional tätiger Banken wünscht sich die Arbeitsgemeinschaft der Volksbanken und Raiffeisenbanken in Weser-Ems (AGVR) von der Politik. Die aktuelle Kritik richtet sich gegen die EU-Reform des Krisenmanagements für Banken (CDMI-Review), das kleine und mittelgroße Kreditinstitute künftig genauso wie Großbanken behandeln wolle. Damit würde das seit seiner Gründung 1936 erstklassig funktionierende genossenschaftliche Sicherungssystem geschwächt und die Finanzstabilität in Deutschland gefährdet werden, sagte Frank Osterstag, AGVR-Vorstandsvorsitzender und Vorstandssprecher der Volksbank eG Oldenburg-Land Delmenhorst, beim parlamentarischen Abend Mitte April in Hannover vor zahlreichen Gästen. Dazu zählten auch die Niedersächsische Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Miriam Staudte, sowie ihre Kabinettskollegen Olaf Lies, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung, und Christian Meyer, Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz.
Keine Kunde musste um sein Geld bangen
Bislang habe keine Kundin und kein Kunde einer Volksbank oder Raiffeisenbank jemals um sein Geld bangen müssen, betonte Ostertag: „Die Idee, ein staatlicher Mechanismus könne die Erfahrung und Effizienz unseres über viele Jahrzehnte gewachsenen und nachweislich stabilen Systems auch nur im Ansatz erreichen, ist irgendwo im Spektrum zwischen naiv und abenteuerlich einzuordnen.“ Johannes Freundlieb, Verbandsdirektor des Genossenschaftsverbands Weser-Ems, kritisierte, dass die zu wenig differenzierte staatliche Regulierung mit immer neuen Auflagen dafür sorge, dass der Druck zu Fusionen weiter zunehme.
Zahl der Banken sinkt
Die Zahl der Genossenschaftsbanken sei bundesweit seit dem Jahr 2000 um rund zwei Drittel auf aktuell knapp 700 zurückgegangen. In Weser-Ems habe sich die Zahl der Volksbanken und Raiffeisenbanken in dieser Zeit von 85 auf 49 verringert. „Das ist weder im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher noch unseres Wirtschaftsstandortes“, sagte Freundlieb und nannte neben dem CDMI-Review auch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und die Auflagen der EU zur Nachhaltigkeitsberichterstattung als aktuelle Beispiele für überzogene Regulatorik.
Gesetze für „Big Player“
Diese Vorgaben seien für die „Big Player“ gemacht und würden ohne das nötige Augenmaß auf den Mittelstand übertragen. Die genossenschaftlichen Unternehmen kümmerten sich ohnehin um diese Themen schon aus Gründen ihrer eigenen Zukunftsfähigkeit. Die nun auferlegten Dokumentationspflichten seien aufwendig und teuer und würden keinen zusätzlich positiven Effekt haben. Er baue weiter auf das gute Verhältnis zur Niedersächsischen Landesregierung, die die genossenschaftlichen Warnrufe hörbar nach Berlin und damit auch nach Brüssel tragen solle.
Minister: Weser-Ems hat besondere Bedeutung
Ministerin Staudte und Minister Lies betonten, dass die Region Weser-Ems mit ihrer großen Wirtschaftskraft und ihrem engen Zusammenhalt eine außergewöhnliche Bedeutung für Niedersachsen habe. Die Transformation der Wirtschaft lasse sich nur mit Unterstützung durch ein funktionierendes Bankensystem mit starken Volksbanken und Raiffeisenbanken umsetzen, betonte dabei Wirtschaftsminister Lies. Europa müsse anerkennen, dass das deutsche Finanzsystem mit den Genossenschaftsbanken und den Sparkassen eine Besonderheit darstelle, die es in der Regulatorik zu berücksichtigen gelte. „Die Aufgabe der Politik ist es, diese Debatte in Europa zu führen und unsere nationalen Bankenstrukturen zu erhalten“, betonte Lies. Auch der Landtagsvizepräsident Jens Nacke sagte, dass die Genossenschaftsbanken als wichtige Finanzierungspartner in der Region gestärkt werden müssten.
Banken nicht länger als Regulierungsobjekt betrachten
Verbandsdirektor Freundlieb betonte, dass Regulatoren und Bankenaufseher weder das Mandat hätten, Strukturpolitik im Bankensektor zu betreiben, noch sollten sie unwiderrufliche Strukturveränderungen als „Kollateralschäden“ einer nicht passgenauer Regulatorik in Kauf nehmen. Die mittelständischen Unternehmen bräuchten Finanzpartner auf Augenhöhe und keine zentralisierten Konzernstrukturen. Er forderte: „Genossenschaftsbanken dürfen nicht länger als Regulierungsobjekt betrachtet werden, sondern müssen wieder stärker in ihrer Rolle als Akteure und Diener der Realwirtschaft wahrgenommen und wertgeschätzt werden.“
Ertragskraft: Genossenschaftsbanken mit Spitzenwert
Der AGVR-Vorstandsvorsitzende Ostertag sagte, dass die Volksbanken und Raiffeisenbanken in Weser-Ems ein krisensicherer und verlässlicher Partner der Menschen und der mittelständischen Wirtschaft seien. Das zeigten auch die Zahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr 2023. Mit vergebenen Krediten von rund 30 Milliarden Euro (plus 4,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr) und mit einem stabilen Einlagenvolumen von rund 26 Milliarden Millionen Euro hätten sie dafür gesorgt, dass Wachstum und der Wohlstand in der Region gestärkt worden seien. Ein Jahresüberschuss vor Steuern in Höhe von rund 480 Millionen Euro stelle im bundesweiten Vergleich einen Spitzenwert dar. Die Häuser seien kapitalstark und kerngesund aufgestellt. Rund 1,2 Millionen Kundinnen und Kunden schenkten den genossenschaftlichen Instituten ihr Vertrauen. Damit seien die Genossenschaftsbanken gut gerüstet, der Wirtschaft auch künftig auf dem Weg der Transformation die notwendigen Investitionsmittel bereitstellen zu können. Dies Position dürfe nicht durch regulatorisch überzogene Auflage gefährdet werden.