Firmenkunden: Großes Potenzial ganzheitlich erschließen
veröffentlicht im Genossenschafts-Magazin Weser-Ems, Ausgabe 01/2025
Auf der Fachtagung „Firmenkundengeschäft“ in Rastede wurden neue vertriebliche Ansätze vorgestellt.
Dabei stehen die Segmente „oberer Mittelstand“ und „Unternehmenskunden“ mit jährlichen Umsätze ab 6 Millionen Euro im besonderen Fokus. Die wichtigsten Themen sehen die Experten in den Bereichen erneuerbare Energien, Unternehmensnachfolge, Vermögensanlage, Nachhaltigkeit und strukturierte Zahlungsverkehrsberatung.
Der Großteil der Volksbanken und Raiffeisenbanken sieht im Firmenkundengeschäft Wachstumspotenzial. Das hat eine aktuelle bundesweite Umfrage des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) ergeben. „Rund 80 Prozent der befragten Volksbanken und Raiffeisenbanken, auch in Weser-Ems, wollen im Firmenkundengeschäft wachsen“, stellte unser Unternehmensberater Ralf Peter Janik die Umfrageergebnisse bei der „Fachtagung Firmenkundengeschäft“ Anfang Dezember in der Genossenschaftsakademie Weser-Ems in Rastede vor. Dabei komme der persönlichen Beratung weiterhin eine hohe Bedeutung zu. Zwar werde die Kundenbetreuung laut den Umfrageergebnissen zunehmend digitaler, doch je komplexer die Anforderungen der Firmenkunden seien, desto höher sei der Anteil der persönlichen Betreuung. Wichtigste Themen seien erneuerbare Energien, Unternehmensnachfolge, Vermögensanlage, Nachhaltigkeit und die strukturierte Zahlungsverkehrsberatung.
Ganzheitlich präsentieren
Ute Berhorst vom BVR betonte, dass das Firmenkundengeschäft in der Vergangenheit stark „immobiliengetrieben“ gewesen sei. Dieses Segment biete aber viele weitere Potenziale, die es zu erschließen gelte. Die genossenschaftlichen Banken müssten sich im Firmenkundengeschäft deshalb noch ganzheitlicher präsentieren, um Marktanteile gewinnen zu können. Dies beinhalte auch das Auslandsgeschäft. Neben den klassischen Geschäfts- und Gewerbekunden solle weiter segmentiert werden. Dabei stellte sie die Kundensegmente „oberer Mittelstand“ (jährlicher Umsatz zwischen 6 und 50 Millionen Euro) und „Unternehmenskunden“, die Umsätze jenseits der 50 Millionen Euro aufweisen, vor. Diese sollten von Genossenschaftsbanken stärker in den vertrieblichen Blick genommen werden. „Die Marktanalysen zeigen bei den beiden Segmenten ein großes Marktpotenzial“, so Ute Berhorst.
Neue Kundensegmente im Fokus
Jede Volksbank und Raiffeisenbank sollte sich nach einer Bestandsaufnahme des eigenen Firmenkundengeschäfts einem der sogenannten vier Archetypen zuordnen. Auf dieser Basis ließe sich anschließend eine individuelle Organisationsstruktur und Vertriebsstrategie für das Firmenkundengeschäft in den Segmenten „oberer Mittelstand“ und „Unternehmenskunden“ entwickeln. Dazu stellte die BVR-Projektleiterin entsprechende unterstützende Tools und Aktivitäten vor. Die vertriebliche Erweiterung und Optimierung werde zudem medial durch eine bundesweite Firmenkundenkampagne begleitet, in der das Imagevideo „Elevator Pitch“ eine zentrale Rolle spiele und auf verschiedenen Medienkanälen bereits zu sehen sei. Vincent Stumpe, stellvertretender Bereichsleiter Firmenkunden in der Volksbank eG Bad Laer-Borgloh-Hilter-Melle, gab einen Einblick, wie sein Haus das neue Vertriebskonzept umgesetzt hat.
Digitales Banking eröffnet Potentiale
Key-Account-Manager René Althaus von der BMS Corporate Solutions GmbH, an der die Atruvia AG beteiligt ist, betonte die zunehmende Bedeutung digitaler Prozesse im Firmenkundengeschäft. Er stellte vor, wie die „omnikanalen Lösungen im Firmenkundengeschäft Wirkung bringen“. Gerade angesichts des Fachkräftemangels könne „digitales Banking“ helfen, den zunehmenden Mangel an qualifizierten Mitarbeitenden zu kompensieren und gleichzeitig die Effizienz zu erhöhen. Dieser Blickwinkel finde sich auch in den Leitlinien des neuen Betriebsmodells wieder. Anhand der Softwareanwendung BankingWorkspace zeigte René Althaus, wie sich die digitale Welt und die persönliche Beratung gewinnbringend verbinden lassen.
Nachhaltigkeit nicht auf Kreditbewilligung reduzieren
Einen weiteren Ansatz zur Ausweitung im Firmenkundengeschäft bietet das Thema Nachhaltigkeit, betonte der per Video zugeschaltete Christoph Rosebrock vom BVR, der von Dr. Daniel Sieben, Nachhaltigkeitsberater der Grafschafter Volksbank eG, unterstützt wurde. Nachhaltigkeit dürfe nicht auf das ESG-Risikoscoring (Environment, Social, Governance) und damit auf einen reinen Kreditbewilligungsprozess reduziert werden. Vielmehr müssten sich die Volksbanken und Raiffeisenbanken als qualifizierte Ansprechpartner und Berater zeigen, die gemeinsam mit den Firmenkunden den Status quo des Unternehmens zur Nachhaltigkeit ermittelten, Schwachstellen aufdeckten und unter Umständen auch Lösungsansätze entwickelten. „Wir wollen in einen Zukunftsdialog mit den Kunden kommen“, erläuterte Christoph Rosebrock. Die genossenschaftliche FinanzGruppe verstehe sich somit als „Transformationsbegleiter“ und habe im „Rahmenwerk für nachhaltige Finanzlösungen“ bereits eine Reihe entsprechender Tools und Produkte entwickelt.
Dazu zähle neben dem VR ESG-Risikoscore auch das VR Smart express Eco, das eine schnelle und unbürokratische Finanzierung nachhaltiger Objekte mit Volumen zwischen 5.000 und 250.000 Euro ermöglichen werde. Die Zielgruppe seien Geschäfts- und Gewerbekunden. Darüber hinaus ermögliche die DZ BANK eine optimale Einbindung von Fördermitteln in die Vorhaben. Insgesamt solle die technische Umsetzung des gesamten „Rahmenwerks für nachhaltige Finanzlösungen“ in der ersten Jahreshälfte 2025 im Austausch mit der Atruvia weitergeführt und die Einführung im Jahresverlauf vorbereitet werden.
Nachhaltigkeit beschäftigt Firmenkunden
Hans-Peter Dick von der Genossenschaftsakademie Weser-Ems betonte, dass das Thema Nachhaltigkeit nach einer aktuellen Stakeholderanalyse bei drei von vier Firmenkunden eine moderate bis sehr große Rolle einnehme. „Es wird erwartet, dass die Banken da etwas tun und auf die Kunden zugehen mit unterschiedlichen Maßnahmen wie Newslettern, Informationsschreiben, aber auch Veranstaltungen mit Experten, die gleichzeitig Raum zur Vernetzung bieten“, sagte der GAW-Dozent und Unternehmensberater. Es gehe vor allem um das komplexe Feld der Nachhaltigkeitsberatung, das bedient werden müsse. „Da gibt es noch ein großes Entwicklungspotenzial in der Finanzbranche“, betonte Hans-Peter Dick.
„ZukunftsDialog Nachhaltigkeit“
In diesem Zusammenhang erläuterte Matthias Lorch von der BMS Corporate Solutions die Chancen der Energiewende. „Da ist richtig Dampf drin“, sagte Matthias Lorch angesichts der hohen Investitionen in diesem Bereich. Dies biete gerade im Finanzierungsgeschäft erstklassige Möglichkeiten. Zudem erwarte ein Großteil der Firmenkunden, dass ihre Hausbank sie aktiv auf das Thema Nachhaltigkeit anspreche. „Die Unternehmen beschäftigen sich ohnehin mit dem Thema. Somit bestehen hier große vertriebliche Chancen“, so der Vertriebssteuerer. Dabei sollten Firmenkundenberater das Geschäftsmodell zusammen mit den Unternehmen evaluieren, gegebenenfalls auf den „Prüfstand“ stellen und Hilfestellung bei diesem komplexen Themenfeld geben. Dazu biete das für das BankingWorkspace entwickelte Tool „ZukunftsDialog Nachhaltigkeit“ eine erstklassige digitale Unterstützung für ein strukturiertes Beratungsgespräch sowie dessen Vorbereitung und Auswertung.
Auslandsgeschäft ist mehr als Zahlungsverkehr
Der obere Mittelstand und die Unternehmenskunden sind zudem häufig über den nationalen Markt hinaus weltweit tätig. Das Auslandsgeschäft biete somit ein großes Geschäftspotenzial, erläuterte Sarah Schlösser von der DZ BANK AG in Hamburg. Die DZ BANK unterstützte die Primärbanken als genossenschaftlicher Verbundpartner mit zahlreichen Dienstleistungen und ermögliche diesen somit, auch komplexe Auslandsgeschäfte von der Risikoabsicherung bis hin zur Finanzierung zu begleiten. „Auslandsgeschäft ist also deutlich mehr als reiner Zahlungsverkehr“, schilderte die Auslandsfachberaterin in einigen Best-Practise-Beispiele, die konkrete Zusammenarbeit von DZ BANK und Primärbanken bei der Begleitung mittelständischen Kunde nach China, Osteuropa oder auch in die Türkei.