Nachhaltigkeit bestimmt zunehmend Strukturwandel und Kreditvergabe
veröffentlicht im Genossenschafts-Magazin Weser-Ems, Ausgabe 01/2025
Der "Landwirtschaftstag Weser-Ems 2024" zeigte Herausforderungen und Perspektiven für den Agrarbereich auf. Die Zukunft bietet viele Chancen. Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Klimaschutz erfordern Investitionen, ermöglichen aber auch optimierte und neue Geschäftsmodelle.
Unser „Landwirtschaftstag Weser-Ems 2024“ in Rastede war von interessanten Vorträgen und intensiven Diskussionen geprägt. Mit dabei in der Genossenschaftsakademie Weser-Ems waren Anfang Dezember zahlreiche zertifizierte Agrarfinanzberaterinnen und -berater sowie Firmenkundenberaterinnen und -berater aus den Volksbanken und Raiffeisenbanken, die die landwirtschaftlichen Betriebe als Finanzpartner eng begleiten. Mit spannenden Referentinnen und Referenten von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Tönnies Meat und der genoBIT sowie aus unseren eigenen Genossenschaftsverband Weser-Ems hatte unser Unternehmensberater Ralf Peter Janik als verantwortlicher Organisator ein vielfältiges Programm zusammengestellt.
Insbesondere mit Blick auf das Thema Nachhaltigkeit standen sowohl die Auswirkungen auf die Kreditrisiken und Kreditvergabe als auch die Möglichkeit der Betriebe selbst im Fokus. Klar dabei wurde, dass der Biomarkt immer noch eine Nische darstellt und Bio-Betriebe in der Klimaschutzbilanz keinesfalls zwingend besser dastehen als konventionell wirtschaftenden Betriebe. Ebenso deutlich wurde aber auch, dass die Landwirtschaft in Weser-Ems gut aufgestellt ist und zukunftsfähige Perspektiven insbesondere in der Milchwirtschaft biete.
Die Einkommenssituation der Landwirte habe sich nach dem außergewöhnlichen Rekordjahr 2021/2022 im zurückliegende Geschäftsjahr zwar verschlechtert, liege jedoch mit einem durchschnittlichen Gewinn in Niedersachsen von knapp unter 100.000 Euro auf dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre, gab Dr. Albert Hortmann-Scholten von der Landwirtschaftskammer Weser-Ems einen aktuellen Überblick über die Einkommenssituation auf den Höfen. Dies sei ein zufriedenstellendes Niveau. Jedoch verberge sich hinter der Durchschnittszahl je nach Betriebsmodell eine hohe Spannbreite.
Klimaschutz: Kritik an Politik
Insbesondere das Thema Klimaschutz sorgte dabei für Kritik an den politischen Rahmenbedingungen. Die starke politische Fokussierung auf die Bio-Produktion führe die „Landwirte teilweise auf die falsche Spur“ und damit unter Umständen auch in „ökonomisch schwieriges Fahrwasser“, erläuterte Dr. Albert Hortmann-Scholten. Gleichzeitig betonte er wie die weiteren Vortragenden, dass Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Klimaschutz nicht nur Herausforderungen, sondern auch Chancen für die Landwirtschaft böten. Mit neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen, innovativen Technologien und gezielter Beratung können landwirtschaftliche Betriebe nicht nur zukunftsfähig bleiben, sondern auch aktiv zur Gestaltung einer nachhaltigeren Branche beitragen.
Bio bleibt Nischenmarkt
Bio-Lebensmittel hätten aber nach wie vor einen geringen Marktanteil. „Der Kunde entscheidet an der Ladentheke“, betonte Dr. Albert Hortmann Scholten. Diese Entscheidung falle entgegen vielen öffentlichen Lippenbekenntnissen von Verbrauchern nur zu einem geringen Teil pro Bio aus. Bio ist und bleibe ein Nischenmarkt. Laut dem Bundesumweltamt wurden 2022 rund 15,3 Milliarden Euro Bio-Lebensmittel verkauft. Das entspricht einem Marktanteil von nur 6,31 Prozent am Gesamtumsatz im deutschen Lebensmitteleinzelhandel. Im Bereich Fleisch liegt der Anteil aus biologischer Produktion mit 3,9 Prozent nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums sogar noch deutlich darunter. Für die Kreditvergabe bedeute das, dass Investitionsvorhaben von Biohöfen hinsichtlich Vertriebswegen und Absatzchancen sorgfältig geprüft werden sollten.
Zukunft der Agrarmärkte positiv
Dr. Albert Hortmann-Scholten zeigte darüber hinaus Prognosen für die Entwicklung der Agrarmärkte auf. Er hob hervor, dass globale Marktfaktoren wie Klimaveränderungen und geopolitische Unsicherheiten den Wettbewerb global und national verschärfen könnten. Nachhaltige Produktionsweisen und Ressourceneffizienz seien daher zentrale Erfolgsfaktoren für die Wettbewerbsfähigkeit. Die Milchwirtschaft in Weser-Ems sieht er dabei gut aufgestellt. Der zeitweise Rückfall der Milchauszahlungspreise 2024 knapp über die Marke von 40 Cent pro Kilogramm habe sich im Jahresverlauf erholt. Für 2025 geht er von weiter steigenden Milchauszahlungspreisen jenseits der 50-Cent-Marke aus. Positiv bewertet er auch die Lage in der Ferkel- und Schweinemast, die nach einer Talsohle 2023 und auch im laufenden Jahr positive Deckungsbeiträge erwirtschaftet hätten. Er warnte aber davor, dass weiter steigende gesetzliche Auflagen die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirte im internationalen Vergleich gefährden würden.
Klimagesetz und seine Auswirkungen
Seine Kollegin Wiebke Schumacher von der LWK beleuchtete das Niedersächsische Klimagesetz, das weitreichende Konsequenzen für landwirtschaftliche Betriebe habe. Zu den Zielen gehöre die Reduktion der Treibhausgasemissionen um 75 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 1990. Betriebe müssten sich auf strengere Vorgaben unter anderem bei der Nutzung von Moorböden und Dauergrünland einstellen. Gleichzeitig böten Maßnahmen wie die Berechnung des CO2-Fußabdrucks oder die Einführung von Paludikulturen wie Röhricht, Großseggenried, Torfmoose oder Schwarzerlen, die als Substratrohstoff für den Gartenbau, als Rohstoff für die Bau- und Möbelindustrie oder als Energieträger verwertet werden können, Chancen, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Nachhaltige Fleischproduktion
Franziska Elmerhaus von Tönnies Meat ApS & Co. KG stellte die „Klimaplattform Fleisch“ als eine innovative Branchenlösung vor. Diese Plattform ermöglicht es, den CO2-Fußabdruck entlang der gesamten Wertschöpfungskette von der Produktion bis zur Vermarktung zu erfassen und gezielt zu optimieren. Dadurch werde die Transparenz gegenüber Abnehmern und Verbrauchern erhöht, während gleichzeitig die Einhaltung der Klimaziele unterstützt werde. Die gesamte Wertschöpfungskette von Urproduktion über die Verarbeitung bis hin zur Vermarktung müsse schlagkräftig aufgestellt werden, um in den Verhandlungen mit dem Lebensmitteleinzelhandel eine dauerhaft starke Position aufbauen zu können.
Digitalisierung als Motor der Effizienz
Patrick Koopmann von der genoBIT GmbH betonte die Rolle der Digitalisierung in der Landwirtschaft. Besonders Cyber-Security wurde als essenziell hervorgehoben, um den Schutz sensibler Betriebsdaten und Bankinformationen zu gewährleisten. Moderne Technologien wie Banking-Software könnten zudem administrative Prozesse optimieren und dabei helfen, den Fachkräftemangel zu kompensieren.
Nachhaltigkeit als Basis für die Kreditvergabe
Guido Jaskulska, Teamleiter und zertifizierter Nachhaltigkeitsmanager unseres Genossenschaftsverbandes, stellte den „Nachhaltigkeits-Check“ vor, der künftig integraler Bestandteil der Kreditvergabe in der Landwirtschaft sein soll. Durch einen ESG-RisikoScore (Environment, Social, Governance) können landwirtschaftliche Betriebe sowohl automatisiert als auch individualisiert bewertet werden. Die Ergebnisse fließen in die Risikoklassifizierung ein, die regelmäßig überprüft wird. Ziel sei es, den Einfluss von Klimarisiken auf die Kreditwürdigkeit transparenter und messbarer zu machen. Insbesondere die automatisierte Beurteilung führe zunächst zu einem schlechten Rating der landwirtschaftlichen Betriebe. Deshalb sei es sinnvoll, mit den Betriebsleitern ins Gespräch zu gehen und die individuelle Lage mit bereits durchgeführten und geplanten Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit zu analysieren. Allein dadurch würde sich das der ESG-RisikoScore in der Regel bereits deutlich verbessern.
Intensiver Dialog mit Banken wichtig
Der Landwirtschaftstag Weser-Ems 2024 hat einmal mehr deutlich gemacht, dass der Strukturwandel in der Landwirtschaft voranschreitet. Neben dem Verbraucherverhalten sind die Themen Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Klimaschutz die treibenden Größen. Die Betriebe müssen sich darauf einstellen und die Chancen nutzen. Dabei wird es zu einer weiter sinkenden Zahl von Höfen kommen. Die Verbliebenen werden aber immer größer werden. Die Volksbanken und Raiffeisenbanken werden diesen Weg weiter intensiv begleiten, müssen bei der Kreditvergabe künftig aber vor allem Nachhaltigkeitsrisiken stärker berücksichtigen. Deshalb ist ein intensiver Dialog zwischen Genossenschaftsbank und landwirtschaftlichen Betrieben von entscheidender Bedeutung, um die Zukunftsfähigkeit der Agrarregion Weser-Ems zu erhalten.